Damoklesschwert hängt über Athen – DW – 21.06.2011
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Damoklesschwert hängt über Athen

21. Juni 2011

Die Stunde der Wahrheit rückt näher: In der Nacht zum Mittwoch soll das Parlament in Athen über die Vertrauensfrage von Regierungschef Papandreou entscheiden. In die Debatte platzt die EU-Kommission mit einer Hilfsidee.

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Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou (Foto: AP)
Giorgos Papandreou: Es geht nicht nur um sein politisches ÜberlebenBild: dapd

Wirtschaftsexperten warnen schon seit langem, dass der strikte Sparkurs der griechischen Regierung die Konjunktur abwürgen könnte. Diese Erkenntnis scheint nun auch bei der EU-Kommission angekommen zu sein. Nur Stunden vor der entscheidenden Vertrauensabstimmung im Parlament hat der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou Rückendeckung aus Brüssel bekommen - zumindest symbolisch. Kommissionspräsident José Manuel Barroso schlug jedenfalls am Dienstag (21.06.2011) vor, als Ausgleich für die harten Einsparungen die marode Wirtschaft des Landes mit einer Milliarde Euro aus dem Strukturfonds zu unterstützen.

EU-Kommissionspräsident Barroso (Foto: dpa)
Eine Überraschungsinitiative aus Brüssel: EU-Kommissionspräsident BarrosoBild: picture alliance / dpa

Barroso skizzierte eine Art "Notfallplan" für die angeschlagene Wirtschaft des Schuldensünders. Die Sparbemühungen der Griechen müssten mit Impulsen für den Arbeitsmarkt und für Modernisierungen begleitet werden, sagte er in Brüssel. Dazu könnten Mittel aus der Regionalförderung vorgezogen und Auflagen gelockert werden.

Vorschuss aus der Regionalförderung

Das Geld soll aus einem EU-Topf kommen, mit dem Infrastruktur und Wirtschaft in unterentwickelten Regionen gefördert werden. Das Problem dabei: Für jeden Euro aus Brüssel muss das Empfängerland einen Euro dazugeben. Das fehlt dem finanzklammen Griechenland aber schlicht das Geld - ein absurde Situation.

Barroso rief die EU-Staats- und Regierungschefs auf, bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag eine Lösung für die Freigabe des Geldes zu finden. "Wir müssen Ressourcen mobilisieren und zeigen, dass wir nicht nur Opfer verlangen", betonte der Kommissionschef.

Nur knappe Mehrheit im Parlament

Nicht allein die Kommunisten machen mobil gegen den Sparkurs (Foto: AP)
Nicht allein die Kommunisten machen mobil gegen den SparkursBild: AP

Ob der Vorstoß Papandreou noch bei der Vertrauensabstimmung helfen kann, ist ungewiss. Zumal seine sozialistische Partei im Parlament nur über eine knappe Mehrheit von fünf Stimmen verfügt und sich in ihren Reihen auch Kritiker des Sparkurses befinden. Der Premier hatte die Vertrauensfrage nach der Umbildung des Kabinetts am Freitag gestellt. Sollte er bei der Abstimmung scheitern, droht in Kürze die erste Staatspleite eines Euro-Landes.

Nimmt Papandreou jedoch diese Hürde, ist Griechenland, das unter Schulden von rund 350 Milliarden Euro ächzt, noch längst nicht über den Berg. Denn das Parlament muss spätestens am 28. Juni erneut abstimmen - dann wird es um das neue 78 Milliarden Euro schwere Reform- und Sparprogramm gehen. Billigt das Parlament dies nicht, steht Griechenland am Abgrund. Das Land hat Geld nur noch bis Mitte Juli. Am 3. Juli treffen sich die EU-Finanzminister, um zu prüfen, ob Athen die Bedingungen für weitere Hilfen erfüllt. Im Gespräch ist ein zweites großes Hilfspaket, das einen Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro bis 2014 haben soll.

Sparkursgegner in Athen bleiben standhaft

Bankenverbandsfunktionär Kemmer signalisiert Entgegenkommen (Archivfoto: AP)
Bankenverbandsfunktionär Kemmer signalisiert EntgegenkommenBild: AP

Als Gegenzug für internationale Notkredite muss Griechenland harte Sparauflagen erfüllen, die in der Bevölkerung auf Widerstand stoßen. Die Einsparungen sind die Bedingung für die Auszahlung internationaler Notkredite über insgesamt 110 Milliarden Euro. In Athen setzte die Bewegung der "Empörten Bürger" am Dienstag ihre Proteste gegen das Sparprogramm im Umfeld des Athener Parlaments fort. Die Polizei zog starke Einheiten im Zentrum zusammen. Die Bewegung organisiert sich hauptsächlich über das Internet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte bei einem Besuch in Warschau, Deutschland sei zur Solidarität mit Griechenland bereit, wenn Athen die geforderten Einsparungen beschließe. "Wir werden alles tun, dass der Euro als Ganzes stabil bleibt", sagte Merkel. Sie rief zugleich erneut die Banken auf, sich für die Lösung der griechischen Schuldenkrise einzusetzen. Die Euro-Finanzminister hatten am Montag private Gläubiger aufgefordert, sich freiwillig an einem zweiten Rettungspaket für das Land zu beteiligen.

Banken verlangen "Anreize"

Ohne Anreize werde dies jedoch nicht gelingen, warnte ein Sprecher des Bundesverbandes Öffentlicher Banken, der Dachorganisation der Landesbanken, in Berlin. Dagegen bekräftigte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, im Deutschlandfunk die Bereitschaft der Geldinstitute, sich freiwillig an einem Rettungspaket zu beteiligen. Dass dazu Anreize gegeben werden müssten, sei "verständlich". Eine Möglichkeit wären staatliche Garantien.

Angestellte eines staatlichen Unternehmens protestieren vor dem Parlament (Foto: AP)
Angestellte eines staatlichen Unternehmens protestieren vor dem ParlamentBild: dapd

Nach Angaben Kemmers hat Griechenland mindestens 18 Milliarden Euro von deutschen Banken geliehen, davon acht Millionen von der staatlichen Förderbank KfW. Immerhin gewannen an den Finanzmärkten die Optimisten die Oberhand. Der Euro-Kurs, der Deutsche Aktienindex und die Wall Street legten zu.

Steinbrück skeptisch, Geithner ungehalten

Skeptisch zeigt sich dagegen der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: Er rechnet mit einem Schuldenerlass für Griechenland. "Es geht längst nicht mehr um das 'Ob' eines echten Schuldenerlasses, sondern nur noch um das 'Wie'", schrieb der SPD-Politiker in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit".

Die US-Regierung verliert allmählich die Geduld mit dem europäischen Krisenmanagement. US-Finanzminister Timothy Geithner forderte die Regierungen der Euro-Zone am Dienstag in Washington auf, "mit einer einzigen und klaren Stimme" zu sprechen, damit die Akteure auf den Märkten begreifen könnten, "was der grundlegende Plan ist".

Autor: Reinhard Kleber (afp, dpa, rtr, dapd)
Redaktion: Hajo Felten