EU-Parlament verabschiedet Klimaschutzgesetz – DW – 18.04.2023
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PolitikEuropa

EU-Parlament verabschiedet Klimaschutzgesetz

18. April 2023

Das "Herzstück des Klimaschutzes" - der europäische Emissionshandel - wird verschärft. Am Dienstag stimmte das EU-Parlament einem Klimaschutzgesetz zu. Für viele Parlamentarier ein historischer Schritt.

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Windpark vor RWE Kraftwerk Neurath, Grevenbroich, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Wird bald kein Rauch mehr aus den Schornsteinen in der EU kommen? Das EU-Parlament beschließt Verschärfung eines zentralen Instruments des Klimaschutzes. Bild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Mit einer deutlichen Mehrheit hat das EU-Parlament an diesem Dienstag über eine Reform der EU-Klimapolitik entschieden: eine Ausweitung des Emissionshandels. Dieser gilt als Herzstück der europäischen Klimapolitik und regelt den Verkauf von Verschmutzungsrechten. "Das ist gut fürs Klima und gut für die Jobs in der Industrie", freut sich der CDU-Abgeordnete Peter Liese, Berichterstatter für eines der Gesetze zur Reduktion von Treibhausgasen, direkt nach der Abstimmung. 

Bei Treibhausgasen handelt es sich unter anderem um Kohlenstoffdioxid (CO2), das beim Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle und Heizöl entsteht. Auch das bei der Viehzucht entstehende Methan fällt darunter. Diese Gase wirken wie das Glas eines Gewächshauses: Sie lassen Sonnenstrahlen zwar hinein, aber verhindern, dass sie wieder in den Weltraum zurückgestrahlt werden. Somit sind sie maßgeblich verantwortlich für die Erderwärmung und den Klimawandel.

Die heute vom EU-Parlament beschlossene Einigung soll weitere Anreize setzen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Bis 2030 sollen so 62 Prozent weniger Emissionen entstehen - im Vergleich zu 2005. Und zwar dadurch, dass derjenige, der sie verursacht, auch für sie bezahlt. Dafür müssen etwa Unternehmen Zertifikate erwerben, die ihnen das Recht geben, CO2 auszustoßen. Es heißt aber auch: Wer weniger Treibhausgase ausstößt, zahlt weniger. Der Emissionshandel gilt als wichtiges Mittel, damit die EU ihr Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, erreichen kann. 

Mehr Tempo beim Klimaschutz

Den Handel mit Emissionszertifikaten in der EU gibt es schon seit 2005. Laut EU nehmen bereits rund 10.000 Unternehmen daran teil. Darunter sind Unternehmen zur Energie- und Wärmeerzeugung, energieintensive Industriezweige sowie die gewerbliche Luftfahrt.

Neu und wohl bislang einmalig ist, dass in Zukunft auch die Schifffahrt Zertifikate für ihren Ausstoß an Treibhausgasen kaufen muss. Dafür ist ein Übergangszeitraum bis 2024 vorgesehen. Laut der Grünen-Abgeordneten Jutta Paulus ist dies ein weiterer historischer Schritt. "Als einziger Verkehrssektor war die Seeschifffahrt von Verpflichtungen zur Emissionsreduktion befreit, obwohl sie für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist", teilte die Abgeordnete Paulus mit.

Darüber hinaus soll das Tempo bei der jährlichen Reduktion von Treibhausgasen erhöht werden. Jährlich liegt diese bei 2,2 Prozent. Von 2024 bis 2027 soll dieser Wert nach EU-Angaben bei 4,3 Prozent und ab 2028 bei 4,4 Prozent liegen. Sichergestellt werden soll es dadurch, dass weniger Verschmutzungsrechte ausgegeben werden. 

Auch der Verbraucher ist betroffen

Außerdem soll ein neues - zweites - Emissionshandelssystem entstehen. Dieses soll den Verkehr und das Heizen von Gebäuden sowie bestimmte Industriesektoren umfassen. Aus Sorge vor steigenden Energiepreisen für Bürger war es besonders umstritten, auch das Heizen in die Verhandlungen einzubeziehen. Peter Liese, Berichterstatter eines der Klimagesetze, betont in einer Pressemitteilung, dass keine zusätzlichen Belastungen für deutsche Verbraucher und Verbraucherinnen sowie den deutschen Mittelstand entstünden, da es in Deutschland ein solches System bereits gebe. Ein nationaler Emissionshandel für Wärme und Verkehr wurde hier schon 2021 eingeführt. 

Das EU-Parlament hat außerdem auch für einen Klima-Sozialfonds gestimmt. Die darin bereitgestellten rund 86 Milliarden Euro sind dazu gedacht, benachteiligte Bürgerinnen und Bürger sowie Kleinstunternehmen zu unterstützen, in Energiesparmaßnahmen zu investieren. Der Fonds soll 2026 eingerichtet werden und laut EU gezielt Finanzhilfen zur Wärmedämmung, für Wärmepumpen, Solarpanels und Elektromobilität geben. Kritiker unter anderem aus den Reihen der Linken und der Grünen fürchten, dass diese Gelder nicht ausreichen werden, um soziale Härten auszugleichen.

Das Ende der günstigen Produktion im Ausland?

Bis 2034 soll schrittweise auch die bisherige Praxis, Gratis-Zertifikate an Firmen zu verteilen, enden. Bislang konnten Mitgliedstaaten solche an energieintensive Industrien aushändigen, um zu verhindern, dass sie ins europäische Ausland abwandern. Aber dank eines neuen Instruments würde Unternehmen wohl auch ein Abwandern in Zukunft nicht mehr helfen.

Brüssel | PK zur Erreichung der Klimaziele | Frans Timmermans und Ursula von der Leyen
Ursula von der Leyen stellt den "European Green Deal" im Juli 2021 vor: Bis 2050 will die EU klimaneutral seinBild: John Thys/AFP/Getty Images

Dafür hat das EU-Parlament für einen CO2- Grenzausgleichsmechanismus - aus dem Englischen Carbon Border Adjustment System (CBAM) - gestimmt. Hinter diesem Klimazoll steht die Idee, dass es einen Ausgleich für den Kohlenstoffausstoß gibt, der bei der Produktion außerhalb der EU anfällt. "Du darfst immer noch deine Produkte auf dem EU-Markt verkaufen. Aber wir beenden den unfairen Wettbewerb für unsere Produzenten und du zahlst für die Verschmutzung an der EU-Grenze," fasst es der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Mohammed Chahim bei der Debatte am Vorabend der Abstimmung zusammen. Außerdem soll dieses Gesetz auch Produzenten in Drittländern anregen, insgesamt weniger Treibhausgase auszustoßen.

Auf die Neuerungen hatte man sich grundsätzlich bereits im Dezember vergangenen Jahres geeinigt. Damit sie in Kraft treten können, müssen die Mitgliedstaaten noch zustimmen. Das gilt in diesem Fall als Formsache. #

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel