Katar schließt Frieden mit seinen Nachbarn – DW – 20.11.2014
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Katar schließt Frieden mit seinen Nachbarn

Kersten Knipp20. November 2014

Katar will den seit Monaten schwelenden Streit mit seinen Nachbarstaaten beilegen. Auch das Verhältnis zu Ägypten soll besser werden. Die neue Einigkeit ist vor allem Ausdruck politischer Not im Emirat.

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Der saudische König Abdullah und der katarische Scheich Scheich Tamim bin Hamad Al Thani Treffen in Riad, 16.11.2014 (Foto: AP)
Der saudische König Abdullah und Scheich Al-Thani aus KatarBild: picture-alliance/dpa/AP Photo/SPA

Eine "neue Seite" in den arabischen Beziehungen sei nun aufgeschlagen worden, erklärte der saudische König Abdullah ibn Abd al-Aziz nach dem Gipfel mehrerer Golf-Staaten (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE), Bahrain, Katar) am vergangenen Sonntag (16.11.2014) im saudischen Riad.

Die Teilnehmer hatten sich darauf geeinigt, ihren seit Monaten andauernden Zwist beizulegen. Im Frühjahr 2014 hatten Saudi-Arabien, Bahrain und die VAE ihre Botschafter aus Katar abgezogen. Damit gaben sie ihrem Missfallen an der Politik des kleinen Emirats Ausdruck. Insbesondere hatten sie sich daran gestört, dass Katar die ägyptischen Muslimbrüder und insbesondere den im Sommer 2013 abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi unterstützt und seinen Sturz durch das Militär scharf kritisiert hatte.

Botschafter kehren nach Doha zurück

Auf dem Gipfel hatten sich die Golfstaaten nun wieder geeinigt – die Boschafter kehren in die katarische Hauptstadt Doha zurück. "Die jetzt aufgeschlagene Seite wird die gemeinsame Zusammenarbeit fördern, und zwar nicht nur zugunsten der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates, sondern der gesamten arabischen und islamischen Welt", kommentiert der saudische König Abdullah die Verständigung.

Kämpfer der Terrororganisation "Islamischer Staat" im Irak, Januar 2014 (Foto: AP)
Gefahr auch für die Golfstaaten: Kämpfer der Terrororganisation "Islamischer Staat"Bild: picture-alliance/AP Photo

Zugleich forderten die vier Golf-Staaten Ägypten auf, den Gipfel als Ausdruck der arabischen Solidarität zu werten – was Ägypten umgehend tat. Man sehe die Einigung als "Aufruf zur Freundschaft und entscheidenden Schritt zur arabischen Solidarität", hieß es aus Kairo.

Große politische Herausforderungen

Beobachter erklären die Einigung mit einer ganzen Reihe regionaler und internationaler Faktoren. Die Zeitung "Rai al youm" berichtet, Katar habe sich immer größeren Drucks nicht nur der Golfstaaten, sondern auch Ägyptens ausgesetzt gesehen. Die Distanz zwischen dem Land am Nil und dem Golfstaat war seit dem Amtsantritt von Präsident Abd al-Fatah al-Sissi erheblich gewachsen. Zudem habe sich Katar dem Vorwurf ausgesetzt gesehen, es fördere den Terrorismus und habe dazu beigetragen, dass das von der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) ausgehende Bedrohungspotential in der Golfregion gestiegen sei. Immer wieder war Katar vorgeworfen worden, den IS finanziell zu fördern. Katar hatte diese Vorwürfe regelmäßig bestritten.

Neue politische Landkarte

Die Zeitung "Al Quds al-Arabi" weist auf weitere Motive hin, die hinter der Einigung stecken könnten. So seien die arabischen Staaten besorgt, dass ein erfolgreicher Abschluss der derzeit laufenden Verhandlungen über das iranische Atomprogramm auch die politische Wiederannäherung zwischen den USA und Iran fördern könnte. In den Beziehungen der beiden Staaten hatte nach der iranischen Revolution 1979 und dem Sturm auf die US-amerikanische Botschaft sowie der über 15 Monate dauernden Geiselhaft zahlreicher amerikanischer Diplomaten Eiszeit geherrscht. Sollte es nun zu einer Wiederannäherung kommen, sorgen sich die Staaten der arabischen Halbinsel, könnte das Iran ermutigen, seinen regionalen Machtanspruch noch offensiver zu vertreten.

Der iranische Präsident Hassan Rohani, 11.5. 2014
Herausforderer der Golfstaaten? Der iranische Präsident Hassan RohaniBild: Fars

"Die Behauptung, die Araber stünden nicht nur vor einer strategischen Herausforderung, sondern vor einer existentiellen Bedrohung, ist vielleicht nicht übertrieben. Dies umso mehr, als sich die politische Landkarte der Region nach fast einem Jahrhundert zum ersten Mal geändert hat." Diese Änderungen, so fürchten die sunnitisch geprägten Staaten, könnten den schiitisch dominierten Staaten Iran und Irak sowie den unter ihrem Einfluss stehenden schiitischen Kräften erheblichen Machtzuwachs bringen. Neben einem "schiitischen Halbmond" müsse man zudem auch einen "Halbmond des Islamischen Staats" fürchten, so "Al-Quds al-Arabi".

Mögliche Folgen für die Muslimbrüder

Offen ist, wie sich die neue Einigung auf das Verhältnis Katars zu den Muslimbrüdern auswirken wird. Anzunehmen ist, dass die Beziehungen sich abkühlen, womöglich sogar ganz enden werden. Katar dürfte darüber nicht unglücklich sein. In Doha habe man längst begriffen, dass das Bündnis mit den Muslimbrüdern ein strategischer Fehler war, sagt Christian Koch vom "Gulf Research Center" in der Schweiz. "Man ist auf die Seite einiger politischer Gruppen gegangen. Das hat sich im Nachhinein nicht unbedingt als richtig erwiesen." Offen ist derzeit noch, was die neue Annäherung zwischen Katar und Ägypten für die zahlreichen Muslimbrüder bedeutet, die in dem Golfstaat Zuflucht gefunden haben. Sie, von denen eine Reihe in Ägypten zu Haftstrafen verurteilt worden sind, könnten gezwungen sein, in einem anderen Land politisches Asyl zu suchen.

Der ägyptische Präsident Mursi trifft sich mit dem Emir von Katar Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani, 11.8. 2012 (Foto: EPA)
Vergangene Zeiten: Ägyptens Ex-Präsident M. Mursi und der katarische Emir Al-Thani in Kairo, August 2012Bild: picture-alliance/dpa

Der katarische Sender Al-Jazeera betrachtet die nun erzielte Einigung kritisch. Sie sei gegen den Sender gerichtet, hieß es in einer Erklärung. Man werte die Einigung als "Angriff". Der Sender erinnert an drei seiner Journalisten, die in Ägypten auf Grundlage "falscher Anschuldigungen" zu zehn Jahren Haft verurteilt wurden. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die neue katarisch-ägyptische Annäherung auch den drei Männern in irgendeiner Form helfen könnte.