Ukraine-Krieg: Moskaus Spionage-Strategie in Deutschland – DW – 20.06.2023
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Ukraine-Krieg: Moskaus Spionage-Strategie in Deutschland

20. Juni 2023

"Zeitenwende für die innere Sicherheit": Nach der Ausweisung russischer Diplomaten registriert der Verfassungsschutz eine neue Spionage-Strategie des Kreml und warnt vor den Gefahren.

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Das Gebäude der Russischen Botschaft in Berlin; auf einem quadratischen Turm weht die russische Fahne in den Farben Weiß, Blau und Rot.
Die Russische Botschaft in Berlin schätzt der Verfassungsschutz auch als Refugium für Spione ein Bild: Michael Kuenne/Zumapress/picture alliance

"Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeutet auch für die innere Sicherheit eine Zeitenwende", sagt die deutsche Innenministerin Nancy Faeser, als sie in Berlin den Verfassungsschutzbericht 2022 vorstellt. Neben ihr sitzt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang. Die Gefährdungen durch russische Spionage-Aktivitäten hätten sich nochmals vergrößert, betont er.  

Als Reaktion darauf hat Deutschland schon kurz nach Kriegsbeginn 40 russische Diplomaten ausgewiesen, die als mutmaßliche Spione an der Botschaft ihres Landes in Berlin akkreditiert waren. Dennoch rechnet der BfV-Chef künftig eher mit mehr als weniger Versuchen der Einflussnahme durch den Kreml. "Auch wenn solche Maßnahmen kurzfristig Wirkung erzielen, wird Russland seine Methoden anpassen und zukünftig klandestiner und aggressiver vorgehen."

Wladimir Putin traut der Verfassungsschutz alles zu

Thomas Haldenwang denkt dabei unter anderem an Cyberangriffe und illegale Geheimdienst-Offiziere, die mit falscher Identität in Deutschland unterwegs sein könnten. Und im Vergleich mit anderen Ländern, insbesondere mit China, hält er das Vorgehen Wladimir Putins für gefährlicher.

Innenministerin Nancy Faeser (r.) und Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang halten jeweils ein Exemplar des Verfassungsschutz-Berichtes 2022 in ihren Händen.
Innenministerin Nancy Faeser und Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang warnen vor Russland Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Generell könne man sagen, russische Dienste seien robuster, und es werde mit allen Mitteln gearbeitet. Manchmal auch mit Mitteln, wie man sie nur noch aus Filmen zu kennen glaube. "Russische Dienste schrecken in äußerster Konsequenz auch nicht vor der Tötung von Personen zurück."

Russische Propaganda nimmt zu

Mit Sorge blickt der Verfassungsschutz auch auf die zunehmende Kreml-Propaganda in Deutschland. Dazu zählen pro-russische Gruppen, die den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine billigen. Ihr Ziel und das des russischen Präsidenten Wladimir Putin: Menschen aus der früheren Sowjetunion, die inzwischen in Deutschland leben, auf ihre Seite zu ziehen.

"Putin betrachtet diesen Personenkreis als 'seine Russen'. Menschen, auf die er Einfluss ausüben möchte", erläutert Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang. Der russischsprachigen Diaspora in Deutschland attestiert er jedoch, ganz überwiegend für russische Propaganda kaum anfällig zu sein.

Russischsprachige in Deutschland befragt

Linksextremistische Feindbilder: NATO und die USA

Ein uneinheitliches Bild ergibt sich beim Blick auf das linksextremistische Spektrum. Der Krieg werde scharf verurteilt, heißt es im Verfassungsschutzbericht. "Allerdings machen Teile der Szene nicht allein Russland als Aggressor verantwortlich, sondern vielmehr bezeichnen sie die NATO, die USA und generell den Westen oder den Imperialismus als Verursacher des Krieges", sagt Thomas Haldenwang über dieses Milieu.

Auch im rechtsextremistischen Bereich registriert der Verfassungsschutz Versuche, Kapital aus dem Angriffskrieg zu schlagen. "Es gelang diesen Provokateuren jedoch nicht, flächendeckend für ihre Aktionen zu mobilisieren." Trotzdem bleibe der Rechtsextremismus insgesamt die größte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Sicherheit, betonen Thomas Haldenwang und die deutsche Innenministerin Nancy Faeser.

Auch im Visier: China, Iran, Nordkorea, Türkei

Das Fazit der beiden: Die Bedrohung durch Spionage, Cyberangriffe und Desinformationskampagnen habe sich erweitert. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs vor allem durch Russland. Aber auch andere Länder stünden im Fokus: China, Iran, Nordkorea und die Türkei.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland