Verschenkte Aids-Medikamente – DW – 16.07.2003
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Verschenkte Aids-Medikamente

Insa Wrede16. Juli 2003

Eine kleine Tablette kann die Wahrscheinlichkeit verringern, dass eine HIV-infizierte Mutter ihr Kind bei der Geburt ansteckt. Obwohl das Medikament verschenkt wird, ist die Nachfrage in Entwicklungsländern gering.

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Als die deutsche Firma Boehringer Ingelheim vor drei Jahren ankündigte, das Medikament Viramune kostenlos an Entwicklungsländer abzugeben, rechneten sie damit von Interessenten überrannt zu werden. "Wir waren irritiert, wenn nicht gar enttäuscht von den Regierungen" erinnert sich Julia Kleinmann, eine Unternehmenssprecherin von Boehringer Ingelheim im Gespräch mit DW-WORLD. Von den über 120 Ländern, die für das Programm in Frage kommen, haben nur Uganda und Botswana die Spenden beantragt.

Alles scheint so einfach

Südlich der Sahara sind bis zu 55 Prozent der Frauen mit HIV infiziert. Viele ihrer Kinder werden bereits bei der Geburt angesteckt. Dabei scheint es so einfach, die Infizierung von Neugeborenen zu vermeiden. Die Mutter schluckt während der Wehen eine Tablette Viramune. Dadurch wird die Zahl der Viren in ihrem Blut erheblich gesenkt. Dann bekommt das Neugeborenen in den ersten 72 Stunden einige Tropfen einer Suspension Viramune. Durch die Behandlung werden nach Angaben von Boehringer nur noch halb so viele Babys angesteckt.

Geschenk mit Nebenwirkungen

Einem geschenktem Gaul schaut man nicht ins Maul – wer nicht auf dieses Sprichwort hört, findet eine Erklärung für das Verhalten der Länder. Denn mit der Spende des Medikaments Viramune ist es allein nicht getan. Der Grund: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie eine HIV-infizierte Mutter ihr Kind anstecken kann: Während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder nach der Schwangerschaft beim Stillen. Viramune reduziert aber lediglich das Risiko einer Ansteckung bei der Geburt.

Natürlich ist das besser als gar nichts – sinnvoll ist der Einsatz des Medikaments aber nur, wenn die Mütter außerdem während der Schwangerschaft und nach der Geburt beraten und betreut werden. Geschultes Personal muss also HIV-Tests durchführen, Diagnosen erstellen und anschließend die Mütter richtig behandeln können. Dafür braucht es ein funktionierendes Gesundheitswesen und gerade daran mangelt es in vielen Entwicklungsländern. Im Klartext bedeutet das für die Staaten: Zwar bekommen sie das ohnehin nicht sehr teure Medikament kostenlos, müssen aber kräftig draufzahlen, damit der Wirkstoff auch bei der Mutter ankommt.

Die Kosten tragen die anderen

Hilfe kommt sowohl von Nichtregierungsorganisationen als auch von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). In verschiedenen Projekten bieten sie Müttern eine Rundum-Betreuung. Und sie nutzen auch die Spenden von Boehringer: 84 Programme in 44 Ländern werden mit Viramune beliefert. Sybille Rehmet, die für die Mutter-Kind-Programme der GTZ zuständig ist, hält die GTZ Projekte für sehr erfolgreich. Dank umfangreicher Aufklärungsarbeit würden immer mehr Mütter die Programme nutzen.

Geburt gesund überstanden, aber was dann?

Auch wenn Boehringer Ingelheim ihr ursprünglich auf fünf Jahre limitiertes Programm erweitern wird – es kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Notwendig ist es außerdem, infizierten Erwachsenen zu helfen. Denn wer soll sich um all die Kinder kümmern, wenn die Eltern an AIDS sterben? Wie drastisch das Problem ist, zeigt eine Studie der US–Entwicklungsbehörde (USAID). Sie schätzen, dass 2010 weltweit 30 Millionen AIDS-Waisen leben werden, davon 90 Prozent in Afrika.

Bis heute können sich die meisten HIV-Infizierten in Entwicklungsländern keine Behandlung leisten. Rund 300 Dollar pro Jahr pro Infizierten kosten so genannte Generika-Medikamente, also Medikamente, die ähnliche Wirkstoffe haben wie Originalpräparate, in der Regel aber viel billiger sind. Daher versucht die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in zunehmenden Maße nicht nur die Kinder vor einer Infizierung zu schützen, sondern auch den infizierten Müttern und anderen Familienmitgliedern eine Behandlung zu ermöglichen, um deren Leben zu verlängern.